Ursache & Wirkung

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"Wer die Ursache nicht kennt, nennt die Wirkung Zufall" Werner Mitsch

Donnerstag, 13. März 2014

Finanz und Wirtschaft: Die geheime Geschichte der Finanzkrise

Die geheime Geschichte der Finanzkrise

 http://www.fuw.ch/article/die-geheime-geschichte-der-finanzkrise/

von Herold James

12.03.2014

« Wie die geheime Geschichte von 2008 zeigt, ist wichtig, wer Zugang zum Fed hat. »

Aus kürzlich veröffentlichten Protokollen von Treffen des Federal Open Market Committee im Jahr 2008 geht hervor, dass das Fed aus der Krise quasi als Weltzentralbank hervorgegangen ist. Ein Kommentar von Harold James.

Balzacs grosser Roman «Verlorene Illusionen» endet mit einer Darstellung des Unterschieds zwischen der offiziellen Geschichte und der geheimen Geschichte, also der wahren. Es war einmal möglich, die skandalösen Wahrheiten der Geschichte lange zu verschleiern – sogar für immer. Das ist vorbei.Nirgends ist das offensichtlicher als in den Beschreibungen der globalen Finanzkrise. Gemäss der offiziellen Geschichte haben die US-Notenbank, die Europäische Zentralbank und andere grosse Banken koordinierte Massnahmen ergriffen, um das globale Finanzsystem vor der Katastrophe zu retten. Aber aus kürzlich veröffentlichten Protokollen von Treffen des Federal Open Market Committee, des wichtigsten Entscheidungsgremiums des Fed, im Jahr 2008 geht hervor, dass das Fed aus der Krise quasi als Weltzentralbank hervorgegangen ist, obwohl es weiterhin hauptsächlich amerikanischen Interessen dient. Die wichtigsten Treffen fanden am 16. September und am 28. Oktober statt – gleich nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers – und konzentrierten sich auf die Bildung bilateraler Währungs-Swap-Vereinbarungen mit dem Ziel, angemessene Liquidität sicherzustellen. Das Fed gewährte einer ausländischen Bank Dollarkredite und bekam als Gegenleistung Devisen, die die ausländische Bank nach einer bestimmten Zeit zu demselben Wechselkurs plus Zinsen zurückzuzahlen versprach. Das verschaffte den Zentralbanken, besonders den europäischen, denen aufgrund der Flucht der US-Investoren eine Dollarknappheit drohte, die Dollar, die sie brauchten, um Kredite an die in Schwierigkeiten steckenden eigenen Kreditinstitute zu vergeben.

Fed richtet sich primär nach amerikanischen Interessen
Die EZB gehörte tatsächlich zu den ersten Banken, die eine Vereinbarung mit der amerikanischen Notenbank trafen, gefolgt von anderen grossen westlichen Banken, einschliesslich der Schweizerischen Nationalbank, der Bank of Japan und der Bank of Canada. Bei dem Treffen im Oktober kamen vier «diplomatisch und wirtschaftlich» wichtige Schwellenländer – Mexiko, Brasilien, Singapur und Südkorea – hinzu. Das Fed traf mit ihren Zentralbanken Swap-Vereinbarungen von je 30 Mrd. $.
Obwohl das Fed wie eine Art globale Zentralbank handelte, dienten seine Entscheidungen zuallererst amerikanischen Interessen. Zunächst einmal hat das Fed die Anträge verschiedener Länder, deren Namen in dem veröffentlichten Protokoll unkenntlich gemacht sind, auf Aufnahme in das Währungs-Swap-Programm abgelehnt.
Aber wichtiger noch, die Swaps wurden beschränkt. Die Funktion einer Zentralbank besteht traditionell darin, als Kreditgeber letzter Instanz unbeschränkte Mittel zur Verfügung zu stellen. Da es keine Grenzen gibt für die Menge an Dollar, die das Fed erzeugen kann, kann auch kein Marktteilnehmer dagegen wetten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) dagegen hat beschränkte Mittel, die von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden.

Währungsfonds an den Rand gedrängt
Die wachsende internationale Rolle des Fed seit 2008 stellt einen grundsätzlichen Wandel im globalen Geldwesen dar. Der IWF entstand zu einer Zeit, als Länder von den lapidaren Annahmen von New Yorker Bankern schikaniert wurden, wie zum Beispiel bei der Bewertung von J.P. Morgan 1920, Deutsche seien «grundsätzlich Menschen zweiter Klasse». Der IWF war ein wichtiger Bestandteil der Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und war gedacht als universeller Versicherungsmechanismus – nicht als ein Mechanismus, der für die Ziele zeitgenössischer diplomatischer Interessen einzusetzen wäre.
Heute zeigen die Unterlagen der amerikanischen Notenbank, dass der IWF an den Rand gedrängt wurde, nicht zuletzt wegen der Ineffektivität seiner Massnahmen. Zu Beginn der Krise hatte der IWF unter der Annahme, die Nachfrage nach seinen Ressourcen werde dauerhaft niedrig bleiben, bereits mit dem Downsizing begonnen.
2010 versuchte der IWF eine Auferstehung und stellte sich dar, als sei er für die Lösung der Eurokrise unerlässlich, angefangen mit seiner Rolle in der Finanzierung des griechischen Rettungspakets. Aber auch hier wurde eine geheime Geschichte offenbart. Eine, die deutlich macht, wie sehr das globale Finanzwesen aus den Fugen geraten ist.

Nächster IWF-Chef wird nicht aus Europa kommen
Tatsache ist, dass nur die USA und die massiv überrepräsentierten Länder der Europäischen Union das Rettungspaket für Griechenland unterstützten. Die grössten Schwellenländer waren alle dagegen, der brasilianische Repräsentant nannte es «ein Rettungspaket für griechische Privatschuldner, hauptsächlich europäische Kreditinstitute». Sogar der schweizerische Delegierte war dagegen.
Jetzt, da die Angst vor einem plötzlichen Kollaps der Eurozone einer langen Debatte darüber Platz gemacht hat, wie die Kosten von Bail-ins und Write-offs zu tragen sind, wird die Position des IWF immer undurchsichtiger. Obwohl der IWF eigentlich andere Kreditoren überstimmen kann, wird es Forderungen geben, einen Teil der Darlehen, die er gewährt hat, abzuschreiben. Ärmere Schwellenländer werden dagegen sein, mit dem Argument, dass ihren Steuerzahlern nicht zugemutet werden kann, die Rechnung für die Verschwendungssucht in viel reicheren Ländern zu zahlen.
Sogar die ursprünglichen Befürworter der Beteiligung des IWF richten sich gegen den Fonds. EU-Beamte sind verärgert, weil der IWF offensichtlich versucht, in den europäischen Schuldnerländern Unterstützung zu finden, indem er sich für die Abschreibung aller Schuldverschreibungen einsetzt, der er nicht selbst ausgegeben hat. Und der US-Kongress hat sich geweigert, die Erweiterung der IWF-Mittel zu unterstützen – Teil einer internationalen Vereinbarung vom G-20-Gipfeltreffen von 2010.
Die Empörung angesichts der Berufung eines weiteren Europäers zum geschäftsführenden Direktor im Jahr 2011 wird sicherlich dafür sorgen, dass der nächste Chef nicht aus Europa kommt, und die schnell schrumpfende Rolle des IWF bedeutet, dass das nicht so wichtig sein wird. Wie die geheime Geschichte von 2008 zeigt, ist wichtig, wer Zugang zum Fed hat.

Copyright: Project Syndicate.

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